Sommer 1995
Äthiopien - Eritrea - Sudan - Ägypten - Israel - Zypern -
Griechenland - Italien - Frankreich - Deutschland

Frisch verliebt und frei von allen Sorgen machte ich mich auf nach Addis Abeba. Dort war das Motorrad seit der letzten Tour sicher abgestellt. Nach den üblichen Wartungen und zwei angenehmen Tagen in der Hauptstadt ging es in das Hochland der Tigray. In freudiger Erwartung eines Wiedersehens mit meiner Liebsten am Airport von Kairo blieben mir gerade 14 Tage, um die Strecke Äthiopien - Ägypten auf dem Landweg zu bewältigen. Ich war bedeutend schneller, wäre da nicht die leidige Geschichte mit der Fähre nach Suez gewesen...

Ein gutes Dutzend Dreitausender machte ich an einem Tag. Kein Kunststück im Äthiopischen Hochland, wo man sich permanent zwischen 2.800 und 3.200 Metern Höhe bewegt. Rasend schnell fuhr ich gen Norden. Vorbei an ausgebrannten Panzern, Relikten aus dem jahrelang andauernden Bürgerkrieg, grünen Feldern und schönen Menschen. Von Hungersnot keine Spur. Immer wieder gab die Schotterpiste Blicke frei auf den ostafrikanischen Grabenbruch. Mehrere hundert Meter tiefe Schluchten und Gräben. Unten in der Ebene waren großflächig angelegte Plantagen auszumachen. Daneben Felder von Kleinbauern mit verschiedensten Saaten und Früchten besetzt. Eine wundervolle Landschaft. Viele kleine und große Seen luden zum Baden ein. Ich übernachtete in kleinen Hotels in der Provinz für wenig Geld. Beim Anblick des Ungeziefers am Boden und in der Luft baute ich denn doch mein Zelt auf - im Hotelzimmer. Abgesehen von kurzen Verschnaufpausen zum Essen oder Trinken saß ich permanent im Sattel. Mit motorisiertem Gegenverkehr hatte ich auf dieser einsamen Strecke nicht zu rechnen. Entsprechend flott driftete ich um die Kurven, jagte über Hügel und durch Täler.
                                                                                                                                                                  Faszinierendes Rift-Valley im Land der Tigray

Auf direktem Weg erreichte ich binnen zwei Tagen das Eritrea. Die Landschaft war hier weniger spektakulär. Die Menschen jedoch um ein Vielfaches freundlicher und hilfsbereiter. Ruhig und konzentriert verrichteten Arbeiter und Bauern ihren Job. Bettelnde Kinder Fehlanzeige, von einer aufdringlichen Bevölkerung keine Spur. So genoss ich die sichere Zeit in Asmara. Das Motorrad parkte Tag und Nacht nahe der Independence Avenue im Zentrum und blieb unberührt. Nicht einmal ein Spiegel wurde verbogen. Während ich den feinen gemahlenen Hochlandkaffee aus den original italienischen Espressomaschinen der Kolonialzeit in den großräumigen Cafés genoss, erzählten mir Einheimische Geschichten von Krieg und Zerstörung, von Frieden und Wiederaufbau. Letzterer war überall sicht- und spürbar. Es ging voran in dem jungen Land und überall ließ man durchblicken, dass gerade die Deutschen es sind, die sich an der Aufbauhilfe stark beteiligen.

Westlich der Hauptstadt endet die Asphaltstraße und eine schotterige Piste schließt sich an. In Barentu nächtigte ich in einem Hotel mit großem, umzäunten Caféhof. Abends wurde dort in alten Fässern Kohle und Holz entzündet. Auf der Glut konnte sich jeder feines Fleisch grillen. Dazu gab es Salat aus feingehackten Kräutern und Gemüse. Und frisches Brot. Köstlich ! Ich ließ es mir schmecken. In Tesseney, nahe der sudanesischen Grenze, machte ich Halt an einem Bewässerungsprojekt der GTZ. Eine liebevolle Familie aus Norddeutschland hatte sich hier niedergelassen und lud mich zum Bleiben ein. Ich gewann Einblick in die strukturellen Probleme des Ackerbaus, geografische und geologische Hürden und, für mich interessant, das politische Verhältnis zum Nachbarstaat Sudan. Der "Kleine Grenzverkehr" war in den letzten Monaten praktisch zum Erliegen gekommen und man rechnete mit der endgültigen Schließung der Grenze. Ich musste mich sputen und reiste bereits am nächsten Morgen aus.

Hinter dem schwer zu findenden Checkout in Eritrea erwarteten mich über 50 Kilometer Niemandsland. Der Zöllner deutete nur mit ausgestreckter Hand gen Westen. Irgendwo da hinten befinde sich ein Dorf, wo die Einreiseformalitäten abgewickelt werden. Noch weiter westlich würde ich unweigerlich nach Kassala finden. Leichter gesagt als getan, denn ich verirrte mich bereits nach wenigen Kilometern aufgrund der Vielzahl der Spurenbündel in alle Himmelsrichtungen. Weit im Westen ragten die ersten hohen, isoliert stehenden Felsenberge aus der Ebene. Dort war Kassala, wie sich beim Blick auf die Landkarte bestätigte. Doch wo war das Dorf mit dem sudanesischen Grenzposten, den ich nicht verfehlen durfte ? Die Pisten waren nass und rutschig, die Spuren tief und ausgefahren. Prompt fuhr ich mich in der Mitte des Nichts fest. Das Heck des Motorrades steckte einen halben Meter tief im schweren Schlamm. Plötzlich kam ein Pferdefuhrwerk um die Ecke. Ein eritreischer Bauer auf dem Weg vom Souk in Kassala zurück in seine Heimat. Der Gaul war schnell ausgespannt und mit dem Motorrad verbunden. Ein kurzer Hieb auf die Flanke des Pferdes und ich stand wieder auf festem Boden. Glück gehabt. Wenig später stand ich vor dem Polizeiposten, einer abgelegenen Hütte am Rande eines Dorfes. Mein Pass wurde gestempelt, nicht jedoch mein Carnet. Dieser Dienst wurde ausschließlich in Kassala geleistet. Aber es war Donnerstag Nachmittag. Mit einer Öffnung der Behörden und Ämter war vor Samstag nicht zu rechnen.

Ich war gerade mal eine Woche unterwegs und spielte heimlich mit dem Gedanken, so schnell wie möglich nach Port Sudan zu gelangen, um eine frühere Fähre nach Suez  zu nehmen. Also Hand ans Gas. Ich ignorierte die Behörden von Kassala und fuhr in einem Rutsch die 600 Kilometer hinunter ans Meer. Müde und ausgemergelt kam ich in Suakin an und musste feststellen, das Boot um einen Tag verpasst zu haben. So quartierte ich mich in einem kleinen Hotel ein und harrte bei Temperaturen um die 50 Grad der Dinge, die da kommen sollten. Vergeblich versuchte ich, beim Zoll in Port Sudan mein Carnet eingestempelt zu bekommen. Man verwies mich immer wieder nach Einsicht in meinen Pass an die Zollstation in Kassala. Ich gab auf und freundete mich mit dem Gedanken an, den Zöllner bei der Ausreise in Suakin bestechen zu müssen. Morgens und abends besuchte ich die verfallene Altstadt und den Markt von Suakin. Ich ließ mir angesichts der Temperaturen eine Djalabia schneidern, ein luftig-traditionelles Kleidungsstück im Sudan. Bekleidet mir diesem "Nachthemd" fiel ich weniger auf und konnte mich so freier und angenehmer bewegen. Die Tage vergingen, bis endlich die "Al Maharousa" vor Anker ging.

      
Verschlammt im Niemandsland bei Kassala           Suakin war einst ein wichtiger Handelshafen          Traditionell bekleidet auf dem Roten Meer

Ich bezahlte meine Rechnung im Hotel und begab mich zum Zollhof. Erst gegen Ende der Formalitäten fiel einem Beamten auf, dass das Motorrad offiziell nicht eingeführt wurde. Eine Diskussion begann. Gegen 50 US-Dollar "Strafe" wegen eines Verstoßes gegen die Einfuhrbestimmungen ließ man mich ziehen und das Motorrad wurde an Deck des unter Saudi-Arabischer Flagge fahrenden Schiffes gehievt. Ich mischte mich unter die vielen Mekkapilger und suchte mir einen Schlafplatz auf Deck. Ein Offizier des Schiffes bot mir beim Anblick meiner Situation gegen einen geringen Aufpreis eine Kabine für die 3-tägige Überfahrt an. Ein freundliches Angebot, welches ich zu schätzen lernte. Fortan speiste ich im Salon und genoss die angenehmen Temperaturen im klimatisierten Innenraum des Schiffes.

Über 12 Stunden lang lag das Schiff im Hafen von Jeddah. Endlose Be- und Entladevorgänge wurden vollzogen. Erst am Abend ging es weiter. Die acht Stunden Verspätung sollte die Fähre auch auf der zweiten Hälfte der Fahrt nicht mehr aufholen. Ich sah mich in Zeitnot, denn bereits am Abend des darauffolgenden Tages würde meine große Liebe in Kairo landen. Wehe, wenn ich zur Abholung nicht am Flughafen stand. Am kommenden Nachmittag erreichte die Al Maharousa den Hafen von Suez. Erstmals konfrontiert mit ägyptischem Bürokratismus und zudem in enormer Zeitnot machte ich einen Fehler: Ich ließ es mir anmerken, dass ich es eilig hatte. Fortan wanderte mein Pass immer wieder von ganz oben nach ganz unten. Ich wurde fast wahnsinnig vor Wut und Verzweiflung. Erst mein Appell an die arabische Kultur, Religion und Ehre zeigte Wirkung. Binnen 30 Minuten erhielt ich meine Kennzeichen, ein gestempeltes Carnet und meinen Pass zurück. Ich konnte gehen. Aber es war bereits 22 Uhr. In Windeseile raste ich von Suez über die Autobahn nach Kairo. Selbst die Polizei konnte mich nicht stoppen. Nach einer mehrstündigen Suche fand ich meine Liebste im Sheraton, dem ersten Hotel am Platz. Wir hatten uns gefunden !!

Ein paar Stunden später, schlaflos und ein wenig betrunken, dafür aber frisch gebadet und frisiert, verließen wir das Hotel bereits vor Sonnenaufgang. Quer durch Kairo führte uns der Weg direkt zu den Pyramiden. Anschließend frühstückten wir in der Millionen-Metropole und beschlossen, angesichts des Verkehrs und der vielen Menschen, dem Trubel zu entfliehen und zogen uns zurück in die Einsamkeit des Sinai. Mit der Unterquerung des Suez-Kanals war meine Transafrika offiziell beendet. Ich verließ den afrikanischen Kontinent.
Warten auf den Sonnenaufgang an den Pyramiden                                                                               Salziges Bad im Toten Meer bei En Gedi

Wundervolle Tage schlossen sich an: Katharinenkloster, Mosesberg und nicht zuletzt heiße Tage im Mohamed Ali - Camp zu Dahab. Eine Woche später badeten wir bereits im Toten Meer und mit Jerusalem lernte ich eine neue Stadt kennen und lieben. Von Haifa aus buchten wir eine Fähre nach Zypern und weiter über Kreta nach Piräus. Nach einem Stückchen Land unter den Rädern beendeten wir unsere Kreuzfahrt durch das östliche Mittelmeer in Venedig. Mangels Fahrzeug-Versicherungsschutz reisten wir als grichische Touristen verkleidet von Italien über Frankreich nach Deutschland ein. Nach 50.000 Kilometern und zwei Jahren quer durch Afrika stand die Suzuki DR 800 Big Ende August 1995 wieder in der heimischen Garage.

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Nach langer Reise zurück in der Heimat