Die Traumhochzeit in der Algerischen Sahara beruht
auf einer wahren Begebenheit, so geschehen am 31. Dezember 1995 in Tamanrasset
und am Neujahrstag 1996 auf dem Gipfel des Assekrem. In der kleinen Kirche
der "Petits Frères de Jesus", einem von Charles de Foucauld Anfang
des 20. Jahrhunderts in Tamanrasset ins Leben gerufenen katholischen
Orden. Erst drei Paaren war es in den letzten knapp 100 Jahren vorbehalten,
an diesem exponierten Platz den Bund der Ehe schließen zu dürfen.
Eines davon waren Ralf und Tanja Beck, die sich hier oben an einem Ort,
wo man Gott sehr nahe ist, voller Liebe und Zuneigung das Ja-Wort gaben.
Dies ist ihre Hochzeitsgeschichte.
"Vous etes courageux", verabschiedet uns der tunesische Zollbeamte
und entläßt uns ins Niemandsland zwischen Tunesien und Algerien.
Ich glaube, einige von uns beginnen anhand dieser Worte an einem guten
Ausgang der Hochzeitsreise zu zweifeln. Insbesondere unsere Saharaneulinge
Frank, Olli und Tanja werden mit jedem Meter Richtung Algerien nervöser
und beharken mich wieder und wieder mit den alten Fragen über die
Sicherheit in einem Staat, in dem Presseberichten zufolge der Bürgerkrieg
tobt. Aber jetzt ist es zu spät zum Umkehren. Die lange Planungs-
und Vorbereitungsphase hat unser Risiko minimiert und der Gedanke an eine
Hochzeit auf dem Assekrem treibt uns weiter voran.
Der Wunsch ist fast vier Jahre alt und entstammt meinem ersten
Assekrembesuch. Heiraten wollte ich auf diesem Berg, fast um jeden
Preis. Drei Jahre später wurden die ersten Kontakte zu den "Petites
Frères" in Tamanrasset geknüpft und Monate später kam
endlich die schriftliche Zusage. Viele Formulare mußten Tanja und
ich ausfüllen, übersetzten und beglaubigen lassen, dann konnte
die Reise beginnen.
Die algerischen Polizisten sind begeistert von unserem
Vorhaben und lassen uns nahezu unkontrolliert passieren. Auf der Strecke
zwischen Bou Aroua und Touggourt kämpfen wir mitten in der Nacht
gegen die berühmt-berüchtigten Sandverwehungen und erreichen
schon bald den ersten großen Militärcheckpoint vor Hassi Messaoud.
Der Colonel kann es gar nicht glauben, daß wir via Amguid nach
Tamanrasset fahren wollen und löchert uns eine geschlagene Stunde
mit Fragen. Schlußendlich bleibt uns ein Besuch auf dem Polizeirevier
in Hassi Messaoud nicht erspart, wo die persönlichen Daten erfaßt
werden und wir auch die erforderliche Genehmigung für das Füllen
der Reserverkanister bekommen.
Vollgetankt und guten Mutes fahren wir durch das
Gassi Touiel Richtung Süden. Immer entlang den Dünen des
Grand Erg Oriental lautet die Devise. Dünenspaß pur - so
taufen wir die so ca. 500 km lange Etappe inclusive zwei Übernachtungen
inmitten der hohen Dünen. Mit der Ruhe ist es bald vorbei. Die Militärs
am Checkpoint von Hassi Bel Guebbour wollen uns nicht passieren lassen.
"Où sont votre documents ?", ist die immer wieder gleichlautende
Frage. Es geht um Fahrtgenehmigungen schriftlicher Art, die wir jedoch
nicht vorweisen können, weil sie für die Pisten der Kategorie
-B- nicht benötigt werden. Die Militärs verlieren mit der Zeit
das Interesse an uns und achselzuckend läßt uns der Wachposten
schließlich passieren.
"Bonne route", lautet hingegen der Abschiedsgruß an der nächsten
Kontrolle bei "Les 4 Chemins". Wir begeben uns auf die Piste und haben
so für 48 Stunden Ruhe vor Polizei und Militärs. Ich wähle
die Ostroute, die neue Trasse, Richtung Erg Amguid. Diese Strecke ist
zwar nur spärlich markiert, jedoch aufgrund der geringeren Frequentierung
passabler zu befahren als die alte Franzosenpiste. Auf den weiten Ebenen
kommen wir flott voran. Einmal kommt ein Lkw entgegen; es soll der einzige
bis In Ecker bleiben. Das Wetter wird schlechter. Ein scharfer Wind
kommt auf und die Sicht reduziert sich auf wenige hundert Meter. Die
Sonne steht als grauer Ball am Himmel, das Fahren gestaltet sich für
die Motorradfahrer als harte Belastungsprobe. Die feinen Sand- und Staubpartikel
schmerzen in den Augen und setzen sich überall fest. Im Nu sind
wir alle mit einer leichten Sandschicht überzogen. Wieder auf der
Hauptpiste schüttelt uns das Wellblech durch und bringt einen großen
Teil der mitgeführten Getränkedosen zum Platzen.
Am Adrar Telrehmt bestaunen wir die grandiose Landschaft.
Die vor uns liegende Tafelbergwand öffnet sich und wir erblicken
durch den ca. 500 Meter breiten Spalt den Erg Amguid, welcher steil vor
uns aufragt. Wie von Geisterhand verziehen sich die Wolken und wir kämpfen
uns in der Nachmittagssonne über die tiefsandige Piste hin zur Nordspitze
des Erg. Auf der Westtangente umgehen wir den Militärposten und gleiten
auf der Regebene mit Höchstgeschwindigkeit bis zu einem gigantischen
Lagerplatz am sonst fast unzugänglichen Erg.
An der Tankstelle in In Ecker wartet schon das Militär
auf uns. "Comme est la piste ?", informiert sich der zuständige
Beamte über den Straßenzustand, während er einen interessierten
Blick ins Fahrzeuginnere wirft. Wir seien von der Polizei in Hassi Messaoud
angekündigt worden, teilt er mir zu meinem Erstaunen mit. Er wünscht
uns noch eine gute Fahrt und wir nehmen die letzten knapp 200 Kilometer
Asphaltstraße bis Tamanrasset in Angriff. Spät erreichen
wir unser Tagesziel und ich kann die Chapuisquelle bei der Pistenvielfalt
östlich von Tam in der Dunkelheit nicht finden. So lagern wir am
Rande eines Oueds und warten auf den nächsten Tag, an welchem wir
uns aufmachen, die "Petites Frères" zu finden.
Unmittelbar neben der alten Ermitage des Pater Foucauld
hat sich der Orden einen Hort der Ruhe angelegt und wir werden mit
den Worten "Vous etes bienvenue !" freudig empfangen. Die "Petites Soeures"
führen uns zu Pater Antoine, welcher mit uns nach Prüfung
der mitgebrachten Papiere die Hochzeitsvorbereitungen trifft. Zu unserer
Freude ist auch Eduard, der Pater vom Assekrem, zugegen. Er schlägt
uns vor, die gesamte Hochzeit in Deutsch und Französisch zu vollziehen.
Wir legen zusammen noch die Texte und Fürbitten fest und vereinbaren
den morgigen Tag, 10.00 Uhr, als Trauungstermin. Für den Abend haben
unsere Mitreisenden die kulinarischen Genüsse Tamanrassets aufgetragen:
Hähnchen, Pommes Frites, Salat, Brot und sogar ein paar Flaschen
algerischen Rotweins wurden eingekauft. So feiern wir bis tief in die
Nacht hinein.
Pünktlich um 09.30 Uhr am nächsten Morgen finden wir
uns an der Ermitage des Père de Foucauld ein. Für Tanja
beginnt nun die Prozedur der Ankleide. Ich hingegen habe es mir etwas
einfacher gemacht und den Hochzeitsanzug zugunsten der Motorradfahrerkluft
Zuhause gelassen. Die Atmosphäre in der Kapelle ist überwältigend.
Die Schlichtheit der Lehmwände, des Altars und das einfache Holzkreuz
an der Wand geben diesem Ort das besondere Etwas. In einer Ecke ruht
das Christuskind in einer Wiege auf dem sandigen Boden. Eduard und Antoine
beginnen mit der Hochzeitszeremonie Jeder der Anwesenden spürt die
Andacht in den Worten. Spätestens als die Schwestern das Haleluja
singen, bleibt kein Auge mehr trocken von Tränen der Freude und der
Rührung. Ein "Oui !" und ein "Ja !", zwei Ringe wechseln den Besitzer
und Tanja und ich verlassen als Mann und Frau das Haus Gottes. Draußen
gibt es hausgemachten Cidre von den Schwestern, bevor es hinauf zum Assekrem
geht.
Ein Sonnenaufgang auf dem Assekrem ist überwältigend,
jedoch habe ich noch nie einen so spektakulären gesehen wie diesen
am Neujahrstag 1996. Zweihundert Kilometer Fernsicht beschert uns der
Morgen, keine Wolke trübt den Himmel und das Farbenspektrum reicht
von dunkelblau bis hellgelb. Als die ersten Sonnenstrahlen hinter den
Bergen erscheinen, bewundern wir gebannt das Schauspiel. Wie ein gleißend
gelber Feuerball schiebt sich die Sonne Stück um Stück höher
gen Himmel und wärmt die erkalteten Glieder.
Um 07.30 Uhr beginnt die Hochzeitsmesse auf dem Gipfel. Danach
führt er uns hinab zu den Einsiedlerhütten, wo wir auf der
Freiterasse ein Frühstück serviert bekommen. Wir lassen den
Brautstrauß aus Rosen, den Sigrid extra aus Hamburg einfliegen
ließ, zurück und machen uns auf der holprigen Piste auf den
Weg nach Norden. Sigrid, Mohammed und Mahmed müssen zurück nach
Tamanrasset, um ihre Anschlussflüge zu erreichen.
Die Häufigkeit der Straßenkontrollen nimmt erheblich
zu; sechs sind es mittlerweile zwischen Tamanrasset und In Ecker. Aber
unsere Anwesenheit hat sich herumgesprochen und so läßt man
uns teilweise unkontrolliert passieren. Die von Schlaglöchern durchzogene
Strecke zwischen In Ecker und Arak wurde in den letzten Jahren weitgehend
instandgesetzt bzw. erneuert und läßt weithin gefahrloses
Fahren zu. So erreichen wir noch vor Sonnenuntergang den Marabout des Moulay
Hassan, in dessen Nähe wir unser Nachtlager aufschlagen. Gegen halb
fünf Uhr morgens ertappen wir einige Nomaden, die um unsere Fahrzeuge
herumschleichen. Vermutlich dieselben erscheinen morgens zum Frühstück.
Es wird ein heißer Tag. Ein kleiner Abstecher von der Straße
in ein Feinsandfeld läßt uns nochmals ca. eine Stunde lang
bei ca. 30 Grad schaufeln, bis die Fahrzeuge wieder frei sind. In In-Salah
angekommen fahren wir direkt zum Restaurant Carrefour, wo uns Hadj Abderrahmane
freudestrahlend begrüßt.
In Windeseile fliegen wir über das Tademaitplateau,
denn wir haben glücklicherweise starken Rückenwind. An der
Polizeikontrolle auf dem Hügel nördlich von El Golea werden
wir mit der Dakarrallye verwechselt. Der Irrtum klärt sich erst auf,
nachdem die Polizisten von allen Fahrzeugen die obligatorischen Fotos geschossen
hatten. Das Gelächter ist groß und man läßt uns
ziehen. Nach einem nachmittäglichen Ritt durch die Barchandünenfelder
zwischen El Golea und Hassi Fahl werden die Motorräder verladen.
Ein vorzügliches Abendessen am Lagerfeuer läßt die Stimmung
der ausgehungerten Gruppe sprunghaft ansteigen und während der herrlich
milden Nacht hatte jeder die Zeit, die Erlebnisse der letzten 14 Tage
nochmals Revue passieren zu lassen.
"Nous n'avons pas eu des problèmes pendant la voyage !",
ist meine Antwort auf die Frage der Geschehnisse in Algerien. Mit dem
Hinweis der Zöllner am Grenzübergang von Bou Aroua, wir sollen
jedem in Deutschland erzählen, wie schön und sicher Algerien's
Süden wieder ist, entläßt er uns ohne größere
Kontrolle.
Text:
Ralf Beck
Fotos: Frank
Scherf, Tanja Mirkovic und
Ralf Beck
Teilnehmer: Mathias Mauch Michael Petsch
Heike Müller
Uwe Lüther
Oliver Kurtz
Frank Scherf
Tanja Mirkovic Ralf Beck
in Tam: Sigrid Wegner
Mohammed Aski
Mahmed Aski
Fahrzeuge: Toyota Hilux (2) Range
Rover (1)
Suzuki DR 800 Suzuki DR 750
Honda Transalp
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