Drei Wochen zwischen Schmugglern und Militär im Dreiländereck
Grenzgänger


(Text und Fotos: Ralf Beck † ; Autor und Fotograf)

Das Tadrart im südöstlichen Zipfel Algeriens lockt nicht nur mit fantastischen Landschaften jährlich tausende von Touristen in diese Region. Illegaler Waren- und Personenverkehr sorgt zudem für rege Frequentierungen der Hauptpisten durch eine wahrhaft traumhafte Gebirgswelt. Durch die Häufung der Überfälle auf Touristen im nahen Niger und innenpolitische Unruhen Anfang des Jahres in Djanet hat auch das Militär Personal und Logistik zusammengezogen, um diesen Raum effektiver überwachen zu können. Dennoch finden sich immer wieder Schlupflöcher und Durchlässe in den engen Wadis, Schluchten und in den Sanddünen des Tin Merzouga, um restriktiven Kontrollen zu entgehen und kriminellen Elementen nicht zu begegnen. Der Reisebericht erzählt von 20 Tagen „Outback“ auf der Suche nach neuen Wegen bis hinein in die anliegenden Nachbarstaaten Libyen und Niger.


Auf einer Fläche von etwa 200x100 Kilometern Saharaland finden sich verschiedenartigste Landschaften, 
wie sie in dieser komprimierten Form und Vielfalt anderswo nur selten anzutreffen sind.

Abdou Borgi ist ein ehrfüchtiger Mann. Er residiert in Djanet im äußersten Südosten Algeriens in einem für Jedermann offenen Haus. „Sein Quartier“  führt er mit patriarchischem Gemüt. Nahezu jeder im Viertel ist in irgendeiner Form mit Abdou verwandt oder genießt andersartige familienähnliche Verflechtung mit dem einflussreichen Mann. Ein waschechter Tuareg mit französischem Pass, über dessen Herkunft er sich in Schweigen hüllt. Wir werden Abdou an einem frühen Nachmittag im Februar 2002 vorgestellt. Den kühlen Tagestemperaturen des scheidenden Winters angepasst treffen wir ihn in seinem Gästehaus an. Seine Mitarbeiter und er sitzen barfüßig im Kreis auf wohligen Matten. Vom Kreis seiner Vertrauten hebt er sich sichtlich ab. Weniger die Figur, Alter oder Größe lassen den Mann als Herrscher und Gebieter erscheinen. Es ist seine charismatische Ausstrahlung, die feinen Gesichtszüge, gepaart mit einer schlichten aber eleganten Bekleidung. Er trägt an diesem Tag einen dunkelblauen Boubou, ein dreiteiliges für Tuareg typisches Kleidungsstück mit feinen, schwarzen Stickereien auf Hemd und Hose. Der übergroße Chech ist künstlerisch gebunden und passt sich farblich den Stickereien an. Abdou Borgi ist eine elegante Erscheinung. Er begrüßt uns freundlich und lädt uns in die Runde zum Tee ein. Sein Französisch ist sehr gut gewählt und dennoch  für einen nichtfrankofonen Europäer einfach und verständlich. Er versteht es durch kluge Fragestellungen innerhalb kürzester Zeit seine Gegenüber richtig einzuschätzen. Bei der Frage nach dem Wohin blinzeln seine geschäftstüchtigen Augen. Denn nebenbei betreibt Adbou Borgi ein gutgehendes Reiseunternehmen und handelt mit Dingen aller Art, welche ein Business versprechen.

 Tuareg vor der Post in Djanet (klick´ drauf, um das Bild zu vergrößern)

Ganz anders Rissa, Fahrer und rechte Hand des Patriarchen. Ein paar Lachfalten umspielen seine freundlich funkelnden Augen. Gekonnt bereitet er den Tee zu. Immer wieder werden die zwei Kannen umgefüllt und in hohem Bogen hin und her gegossen. Der sich bildende Schaum wird von Rissa mit einem Löffel abgeschöpft und auf die bereitstehenden traditionellen Teegläser verteilt. Mit einem einladenden Lächeln reicht er uns nach Abschluss dieser Prozedur je ein Glas. Der Tee schmeckt gut. So wie die erste Runde dieser dreiteiligen Zeremonie schmecken muss: Bitter wie das Leben, die Folgende süß wie die Liebe und zuletzt sanft wie der Tod. Wir trinken unsere drei Runden Tee in der angenehmen Gesellschaft. Anschließend lassen wir unsere beiden Schweizer Mitfahrerinnen, welche wir über eine Internetseite für Saharafahrer kennengelernt und eine Mitfahrgelegenheit nach Algerien angeboten hatten, im Schutze Abdou Borgis zurück. Jetzt sind wir wieder zu Dritt: Alexander mit Setter Rico und ich. Und natürlich unsere beiden Toyos. Wir verabschieden uns höflich von allen Anwesenden. Rissa geleitet und mit dem Auto zum Krankenhaus von Ifferi, einem anderen Stadtteil Djanets. Wir hatten vier Jahre lang Kinderbekleidung und Spielsachen in der Familie gesammelt und übergeben diese nun an Dr. Ghanem, einem Arzt des Krankenhauses. Die Kleidungsstücke, in welchen unsere Kinder groß geworden sind werden nun, in großen Umzugskartons verstaut, durch den Mediziner an die Hilfsbedürftigen in und um Djanet verteilt werden. Somit ist auch unser zweiter und letzter offizieller Auftrag in Djanet erfüllt und wir treffen die abschließenden Vorbereitungen für die weitere Reise. Beim Gang über den lebendigen Markt der Stadt werden die Lebensmittelvorräte um Frischwaren und Gemüse bereichert. Auch ein Kilo Kamelfleisch findet Eingang in den Warenkorb und landet im Kühlschrank des Fahrzeuges. Die Zeit ist bereits fortgeschritten. Weit werden wir heute nicht mehr kommen. So kehren wir der „Perle der Oasen“ den Rücken und verlassen für die nächsten zwei Wochen die Zivilisation.

Felsenpilze im Grenzgebiet Algerien-Libyen (Beispielbild)

Keine 20 Kilometer weiter erreichen wir kurz vor Sonnenuntergang einen Aussichtspunkt im Oued In Debirene, einem episodisch fließenden Flussbett westlich der Stadt. Fasziniert genießen wir die prächtige Aussicht. Auf der einen Seite türmen sich die Dünen des Erg Admer auf, auf der anderen Seite ragt das Plateau des Tassili gut 150 Meter aus der Ebene hervor. Richtung Süden können wir den Mont Tiska und den Adriar Mariaou klar erkennen. Unser Blick reicht somit mehr als 200 Kilometer weit bis fast hinein in den Niger. Diese Richtung wird Morgen unser Ziel sein. Kurz nach Sonnenuntergang kühlt es merklich ab. Schnell ist ein Lagerfeuer entfacht und schon bald schmort das Kamelfleisch über dem Feuer. Mit Salz und Pfeffer gewürzt ist es nun eine Kunst, das Fleisch in der richtigen Minute von der Glut zu nehmen. Ein wenig zu kurz gegrillt ist es noch blutig und schmeckt eigenartig. Ein wenig zu lang und das Fleisch ist zäh und nicht mehr genießbar. Dieses Mal gelingt es. Schon bald füllen sich unsere hungrigen Mägen mit dem Fleisch, gerösteten Paprikastreifen und jeder Menge frischem Baguette. Hoch oben am Firmament steht das Sternbild des Orion, welches uns auf der gesamten Reise begleiten wird. Die Milchstraße ist klar erkennbar und wir nächtigen angesichts dieses Naturschauspiels am Himmel im Freien.

Die Nacht ist bitterkalt. Das Thermometer sinkt gegen Morgen knapp über den Gefrierpunkt und wir fröstelten ungemein. Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages wecken unsere Lebensgeister. Der Gedanke an starken heissen Kaffee und Rührei mit Schinken lockt uns aus den Schlafsäcken. Es wird ein schöner klarer Tag. Wir nehmen Kurs 180 Grad und brausen nach dem Frühstück los. Mit über 100 Stundenkilometern auf einer unendlichen Sandebene rasen wir Richtung Niger. Kurz nach Passieren des letzten Gebirgsmassivs links von uns schwenken ein. Gleichzeitig erreichen wir die vielen Spuren auf der Chirfatrasse. Diese stark frequentierte Piste zwischen den Oasen Bordj el Haoues in Algerien und Chirfa im Nordniger gilt als unsicher. Vielerlei Gesinnungen benutzen diese Trasse beziehungsweise warten am Wegesrand auf potentielle Opfer. So verlassen wir die balisierte Strecke bereits nach wenigen Kilometern und umrunden den letzten Ausläufer des Tassili n´Adjer Gebirges. An dieser Stelle, Balise 55, feiert mein Vehikel Jubiläum. Der Kilometerzähler springt um. Eine Eins wird sichtbar: 100.000 Kilometer Afrika hat mich der Toyota Landcruiser nun schon begleitet. Viele Länder haben wir in den letzten Jahren gemeinsam bereist und unzählige Strecken durch unberührte Regionen gemeistert. Nie hat mich das Auto im Stich gelassen. Zuverlässigkeit bedeutet Sicherheit.

Oued Selfufet - ausgetrocknetes Wadi an der libyschen Grenze (Beispielbild)

Die nächsten Kilometer sind für mich und das Fahrzeug neu. Wir biegen ein in ein Oued namens In-Mellalene. Die sanfte Landschaft wird durch grünlich schimmernde Hinkelsteine geprägt, die das Oued säumen. In flotter Fahrt umrunden wir die Gesteine und dringen tiefer ein in die Gebirgswelt. Die Berge rechts und links des Trockenflussbetts werden höher und nur mit Mühe finden wir Schneisen und Übergänge nach Westen. Ein mit Tuaregschrift bemalter Baum weist uns den Weg durch eine enge kurvig Schlucht. Auf der anderen Seite öffnet sich das Gelände und wir staunen. Riesige Felsbögen, Auswaschungen in den Steilwänden der Felsen, Höhlen und dazwischen wunderschöne Dünenformationen. Die in weichem Rot gezeichnete Landschaft durchqueren wir in wildem Zickzack. Hinter jeder Biegung erwartet uns ein neues, aufregendes Naturschauspiel. Wir durchfahren die Bögen und enge trialartige Passagen. Mit jedem weiteren Kilometer ändert sich das Landschaftsbild erneut. In Schwarz gehaltene Bergrücken kündigen ein neues Massiv an. In einem breiten Wadi fahren wir bergan in die kompakten El Barkat Berge ein. Ein Moufflon, selten gewordenes und scheues Mähnenschaf beäugt uns von einem Felsvorsprung. Wir finden zwei Gueltas. Leider ist der Regen in der Region bislang ausgeblieben und beide Wasserbecken sind trocken. Was aber, wenn sich diese Pools über den mehrere Dutzende Meter in die Tiefe stürzenden Wasserfall füllen ? Wir träumen von dem Badespaß ohnegleichen, welcher sich dann an diesen Stellen einstellen dürfte und steuern weiter das Innere des Massivs an. Das Wadi wird Grüner und der Bewuchs ist nun nahezu durchgängig. An einer Engstelle blockieren dicke Felsbrocken die Weiterfahrt für unsere Autos. Wir parken und wandern die nächsten Kilometer bis zum höchsten Punkt. Angesichts der über mehrere hundert Meter unpassierbaren Verengung müssen wir umkehren. Eine Passage würde Mensch und Material auf eine harte Probe mit ungewissem Ausgang stellen. So fahren wir die letzten gut zehn Kilometer zurück. Schon bald erreichen wir die militärische Versorgungspiste nach In Ezzane.

Oued In Djerane - Highlight des Tadrart (klick´ drauf, um das Bild zu vergrößern)

Die Militärpräsenz wurde in den letzten Wochen stark erhöht. Aufgrund der geopolitischen Lage befindet sich im Herzen des Dreiländerecks auf algerischer Seite ein Militärposten. Durch Überfälle auf Touristen im nahen Niger sowie die Verlagerung der Schmugglerrouten nach Osten hat das Militär seine Überwachungsaufgaben verstärkt und entsprechend Truppen an der Basis In Ezzane zusammengezogen. Wir bemerken diesen Umstand anhand der vielen frischen Spuren auf der wellblechigen Trasse. Der Kontakt mit einer Patrouille kann auch für uns unangenehme Folgen haben. Nicht erst ein Mal sind Touristenfahrzeuge Opfer von Verwechslungen geworden. Nach einer adrenalingefüllten Stunde ist der Brunnen Hassi Nabonil erreicht und wir verlassen die Militärpiste. Der Weg nach Osten wird durch unzugänglich erscheinende Hügellandschaften versperrt. Im Norden befindet sich unweit des Brunnens das Militärcamp. Nach Süden erwartet uns der Niger. Auf einer wenig befahrenen Piste überqueren wir nahe der Berge die grüne Grenze. Vor uns tut sich eine große Schwemmtonebene ungeahnten Ausmaßes auf. Ein ideales Überwachungsgelände. Wir bleiben nahe der Berge und kommen wegen der vielen großen Steine auf der Hammada nur langsam voran. Schon nach wenigen Kilometern fürchterlicher Quälerei brechen wir ab. Die Schwemmtonebene ist der deutlich schnellere Weg. Ein kurzes Stoßgebet, Gedanken an die Mittagsmüdigkeit potentieller Posten des nigrischen Militärs und los geht es. 80 Stundenkilometer schnell, eine lange Staubfahne hinter uns her ziehend überqueren wir die Ebene. An einer geeignet erscheinenden Stelle biegen wir nach Norden in ein breites Wadi ein. Nur eine alte Fahrzeugspur ist auszumachen. Zu wenig für einen fahrbaren Übergang zurück nach Algerien. Jedoch hat der Fahrer dieses Fahrzeuges seiner Zeit sein Ziel scheinbar erreicht, denn er hat nicht umgekehrt. Wir lagern im Schatten an einem versteckten Felsüberhang und besprechen die Situation. Laut Karte und Satellitenbild müsste dieses Wadi durchgängig fahrbar sein und uns zu den Dünenausläufern des Tin Merzouga in Algerien bringen. Wir starten ins Ungewisse. Nach einer Stunde holperiger Fahrt überqueren wir eine letzte hohe Düne im Tal. An der höchsten Stelle blicken wir nach Norden und sehen ein geschlossenes Dünengebiet: Algerien !

Dünenformationen im Tin Merzouga (klick´ drauf, um das Bild zu vergrößern)

Eine steife Brise bläst uns ins Gesicht. Von Minute zu Minute verstärkt sich die Kraft des Windes und die Sicht reduziert sich auf wenige Dutzend Meter. Nicht die richtige Zeit, ein Sanddünengebiet mit unzähligen gefährlichen Passagen zu durchqueren. Wir müssen weiter nach Osten ausweichen. Dort gehen die Dünen zurück und eine breite Sandebene beginnt. Auf dieser imaginären Autobahn fahren wir, bis die Dunkelheit einsetzt. Mangels Möglichkeit campieren wir im Sturm mitten auf der Ebene. An einen gemütlichen Lagerfeuerabend ist nicht zu denken. Der Sturm schüttelt das Auto durch und Sandkörner strahlen Lack und Windschutzscheibe. Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Ein Blick aus dem Fenster offenbart eine prächtige Aussicht auf die Messak Mellat, eine riesige Plateaukante, welche 150 Meter hoch aus der Ebene rechtwinklig aufsteigt. Dahinter liegt der Erg Murzuq. Libysches Territorium. Der einzige Aufstieg in dieser Region ist der Col d´Anai. Gerüchte ob eines weiteren Militärpostens und möglicher Verminung des Passes schenken wir keinen Glauben. Die Spuren bündeln sich und führen in ein weites Tal. Bergan ist bereits der steile Aufstieg sichtbar. So nah und doch so weit. Zwei Stunden und einen Plattfuß später haben wir den weichsandigen und verspurten Bergrücken erklommen und stehen auf libyschem Territorium. Wir erweitern zunächst die umfangreiche Redjemsammlung am Pass um ein weiteres Exemplar. Die Dünen des Erg Murzuq reichen bis an die Plateaukante heran und laden zu einem Ausflug dorthin ein. Weit und breit ist kein Fahrzeug zu erkennen und wir erliegen der Versuchung. Einen halben Tag lang dringen wir auf das Staatsgebiet Libyens vor. Wir erfreuen uns toller Dünenpassagen, weitläufiger Sebhkas und faszinierender Dünenformen im Murzuq. Längere Exkurse lässt der Treibstoffvorrat nicht zu und im Nu sind wir wieder in der Vorebene des Col angelangt. Tonnen in regelmäßigen Abständen markieren hier den Grenzverlauf der Staaten Algerien und Libyen. Wir folgen den Fässern für einige Kilometer, um dann wieder tiefer in algerisches Staatsgebiet einzutauchen. In den nächsten Tagen werden wir Ghaddafi noch den einen oder anderen Besuch erstatten. Einen angenehmen Lagerplatz finden wir in einer kleinen Senke inmitten der Dünen des Tin Merzouga. Wir entfachen von mitgebrachtem Holz ein kleines Lagerfeuer. Der Mond steht als schmale Sichel knapp über dem Horizont. Schon kurz nach Sonnenuntergang verschwindet er und gibt die klare Sicht auf einen millionenfach besetzten  Sternenhimmel preis.

Outdoorleben in der Algerischen Sahara (Beispielbild)


Wir wollen Passagen durch das Massiv Tadrart finden. Diese Region befindet sich zentral im Dreiländereck und ist als Naturpark ausgewiesen. Tief eingeschnittene Schluchten durchziehen diesen Gebirgszug von Nordost nach Südwest. Neben Touristen finden auch andere Personenkreise Interesse an der Region. Militär und Schmuggler benutzen die verschlungenen Wadis als Weg zwischen Grenze und Hinterland. Schnell stellen wir fest, dass mögliche Verbindungen rege genutzt werden. Unzählige Fahrzeugspuren säumen die Trockenflussbetten in den tief eingeschnittenen Tälern. Werden die Spuren weniger, so entpuppt sich dieser Weg regelmäßig als Sackgasse. An manchen Stellen hat das Militär enge Schluchen mit Stacheldraht gesperrt. Ein unkontrollierter Verkehr soll so unterbunden werden. Die Barrieren sind an vielen Stellen durchbrochen und so können wir passieren. Zwei in den russischen Generalstabskarten ausgewiesene Brunnen können wir von der Koordinate her lokalisieren. Das kühle Nass findet sich jedoch in keinem Fall ein. Es bestätigt den bereits in Libyen gewonnenen Verdacht, dass russische Kartenzeichner mit blauer Farbe in unwegsamen Regionen beflissen gekleckst haben, als sie die Karten erstellten. Im Oued Djerane, einem weiteren touristischen Highlight, treffen wir seit Tagen erstmals wieder auf Menschen. Dünenkraxelnde Touristen machen unseren Schlafplatz unweit der Schlucht ausfindig und beäugen ungläubig unsere Anwesenheit mit dem eigenen Fahrzeug und ohne Begleitung.

Sackgasse im Massiv El Barkat - umgeben von Mähnenschafen (Beispielbild)

Wir setzen unseren Weg fort. Vorbei an unzähligen natürlichen Felsenbögen und bizarren Erosionsformationen suchen wir die Einsamkeit. Die Natur hat ganze Arbeit geleistet und das Oued In Djerane mit zahlreichen landschaftlichen Highlights gespickt. Entsprechend stark ist der Touristenstrom in diese Region. Auch wir bestaunen mit großem Interesse die Vielzahl an Felsbögen und -gravuren. Erst am Nachmittag und viele Kilometer weiter wähnen wir uns der Beobachtung von Touristen sicher. Eine flotte Trasse über eine Kieselwüste bringt uns rasch nach Nordosten. Nur wenige Spuren folgen diesem Track. Auf einer ausgetrockneten Ebene halten wir an einem auf dem Boden mit Steinen ausgelegten Schriftzug an. Ein Blick auf die Karte bestätigt die vage Ahnung. Wir sind vor lauter Fahrspaß bereits mehr als ein Dutzend Kilometer auf libysches Territorium vorgedrungen und befinden uns im Akakus. Unbemerkt haben wir erneut die nicht sichtbare Grenzlinie übertreten. Der Dünenzug des Erg Kasa bietet sich als Sichtschutz auf unserem Rückweg an. So durchqueren wir ungewollt auch dieses Dünengebiet. Ein erhöht liegender rampenartiger Felsen genau auf der Grenzlinie bietet sich als Nachtlager an. Unser Blick schweift hinüber auf das Akakusgebirge, ein Muss für jeden Libyenbesucher. Mit der Einrichtung von Militärposten an neuralgischen Punkten gebietet der libysche Staat unkontrollierten Zugängen in diese Region Einhalt. Wir wollen uns auf einen Grenzkonflikt nicht einlassen und fahren ein paar Meter zurück auf algerisches Staatsgebiet.

Felsbogen auf der Ostflanke des Tadrart (Beispielbild)

Drei weitere Durchgänge durch das Tadrart nehmen wir in den nächsten Tagen unter die Räder. Wir werden nicht enttäuscht. Immer wieder neue Schluchten. Vor jeder Biegung scheint sich das Massiv vor uns zu schließen. Und jedes Mal findet sich wieder ein schmaler Durchgang. Lediglich in einem Fall müssen wir aufgrund von Verblockungen wenige Kilometer vor dem Ausgang des Tales umdrehen. Trotz umfangreicher Räumungs- und Bergunsarbeiten ist sechs Kilometer vor der Plateaukante Schluss. Umsonst die stundenlange, schweisstreibende Arbeit in der gleißenden Mittagssonne. Drei Dutzend Kilometer materialaufreibende Fahrt rückwärts beschert uns dieser gescheiterte Versuch. Abends ist die Frustration groß. Nicht einmal das wärmende Lagerfeuer entlockt uns ein Lächeln. Müssen wir nun angesichts der schwindenen Zeit eine weitere geplante Etappe aus unserem Routenplan streichen und zurückfahren. So verbringen wir diese Nacht fröstelnd in unserer „Mausefalle" und lauschen in die Stille. Kein Geräusch zu hören. Mensch und Natur schweigen.

Im nächsten Anlauf und an anderer Stelle klappt es besser. Eine steile, sandige Abfahrt zum Schluss und wir finden uns auf der Hauptpiste von Ghat in Libyen und Djanet in Algerien wieder. Die wellblechige Trasse bringt uns schnell voran. Zunächst mit 60, später mit 100 km/h fliegen wir über die ausgefahrene Piste. Nach 10 Tagen Outback erreichen wir mit Djanet wieder unseren Ausgangspunkt der Expedition Dreiländereck. Auf dem Markt können wir uns erneut versorgen; auf dem Camping- platz gibt es frisches Wasser. Die lange Zeit mit Sardinenbüchsen, Wurstdosen und ohne Dusche ist beendet. Gerne füllt uns der Tankwart an der Zapfsäule die Treibstoffvorräte auf. 2.000 Kilometer durch teils unwegsames Gelände haben die Vorräte an Diesel nahezu aufgebraucht und gut 400 Liter fließen in unsere Tanks. Langsam ist es Zeit für die Rückreise. Nicht aber, ohne uns zuletzt von der Unfahr- barkeit des Assakaoaufstieges nördlich von Djanet zu überzeugen. Kamelkarawanen mit Touristen, welche wir auf der steinigen Piste zuvor überholt hatten, ziehen wieder an uns vorbei. Grinsend grüßen uns die einheimischen Führer und trekken gekonnt zwischen den engen Felsen Richtung Plateau. Kein Weg für uns. Nach einem weiteren Tag aufregender und letztlich von Enttäuschungen geprägter Suche brechen wir ab. Unverrichteter Dinge kehren wir ein letztes Mal nach Djanet zurück.

Geländewagentrial am Assakaoaufstieg - Beginn der autofreien Zone (Beispielbild)

Für die kommende Übernachtung ziehen wir einen Platz ausserhalb der Stadt vor. In den Dünen des Erg Admer geniessen wir ein letztes Mal die Stille und die Ruhe der Sahara. Ein fantastischer Sonnenuntergang und ein prächtiges Farbenspiel am Himmel beschließt diese Expedition in würdiger Form. Am nächsten Morgen schalten wir den Allradantrieb aus und kehren mit Tränen in den Augen diesem faszinierenden Teil der Sahara den Rücken.

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Sonnenuntergang im Erg Admer (klick´ drauf, um das Bild zu vergrößern)